Sommer am Mittelmeer

„Alles klar“ in und um Valencia

„¡Vale!“ – Dieses Wort ist in Valencia und Umgebung oft zu hören. Es bedeutet: okay, in Ordnung, alles klar. „¡Vale!“ wird in ganz Spanien benutzt, doch nach Valencia passt „¡Vale!“ besonders gut. In der vor rund 2000 Jahren gegründeten Stadt ist vieles „¡Vale!“: die sehenswerte Altstadt mit der Plaza de la Reina etwa. Dort treffen sich die meisten Touristen, da die meisten zur Kathedrale wollen, die am nördlichen Ende dieses zentralen Platzes liegt.

Den Hauptaltar der Catedral de Santa María de Valencia mit der farbenprächtigen sechsteiligen Bilderfront bewundern viele, die ihn sehen. Das Kostbarste in der Bischofskirche ist jedoch der seit Jahrhunderten als Reliquie verehrte „Santo Cáliz“ (heiliger Kelch). Die Arbeit aus dem Nahen Osten dürfte im Kern aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammen und könnte der „Heilige Gral“ der mittelalterlichen Sage sein.

Kelch des Abendmahls?

Aus dem fein geschliffenen Kelch soll Jesus der Überlieferung nach mit seinen Jüngern beim Letzten Abendmahl getrunken haben. Die ersten Päpste, heißt es, haben den Kelch während der Heiligen Messe benutzt. Johannes Paul II. tat dies 1982 beim Besuch in Valencia ebenfalls, Benedikt XVI. im Jahr 2006. In der Kathedrale von Valencia befindet sich der Kelch seit 1437.

Erbaut wurde das Gotteshaus einst auf einem antiken römischem Tempel. Nach der muslimischen Eroberung wurde es zur Moschee. Nachdem die Christen die Stadt im Jahr 1237 wiedergewonnen hatten, begann ab 1262 der Neubau im gotischen Stil. Später hinterließen Renaissance und Barock ihre Spuren. Letzterer prägt das Hauptportal. Dort sitzt meist ein Bettler, der sich sehr für eine Spende bedankt.

Wer unter den Besuchern fit genug ist, kann auf den achteckigen Glockenturm der Kathedrale steigen. Auf Valencianisch nennen ihn die Menschen El Micalet, auf Spanisch El Miguelete. 51 Meter ist er hoch. 207 Stufen führen hinauf. Von dort oben eröffnet sich jenen, die die Höhe nicht scheuen, nicht nur ein fantastischer Blick auf die Plaza de la Reina und die Altstadt. Nein, auch weit übers Mittelmeer, das sich östlich von Valencia erstreckt, schweift der Blick.

Apropos Mittelmeer: Nach der schweißtreibenden Besteigung des Glockenturms könnte man eine Badepause am Strand einlegen. Oder doch lieber weiter die Stadt erkunden? Die ehemalige Seidenbörse „Lonja de la Seda“ zählt zum Weltkulturerbe der Unesco. Vom 14. bis 18. Jahrhundert blühte dort der Handel mit lokal produzierter Seide. Von weither reisten Händler an und kauften Stoffe in großen Mengen. Valencia wurde eine reiche Stadt – bis eine Erkrankung der Seidenraupen den Boom beendete.

Als widerständiger erwies sich Valencias Keramikproduktion. Das Keramikmuseum, untergebracht im ehemaligen Adelspalast Palacio del Marqués de Dos Aguas, ist ein Besuchermagnet, vor allem sein reich verziertes Marienportal. Üppig ist es mit Figuren und Blattwerk aus weißem Alabaster geschmückt. Das Portal soll sogar, hört man, das meist fotografierte Bauwerk-Detail in ganz Valencia sein.

Keramik war in der mächtigen Hafenstadt auch als Schmuck an den Häusern der Bürger sehr beliebt. Nach wie vor zieren Keramik-Bilder zahlreiche Gebäude. Besonders an der „Horchatería de Santa Catalina“ fallen die Verzierungen auf. Der Name verheißt erfrischende Getränke – vor allem die namengebende und in Valencia beliebte Erdmandelmilch. „Horchata de Chufa“ sagt der Spanier dazu, „Orxata de Xufa“ heißt das Getränk auf Valencianisch.

Nur wenige Schritte sind es von der „Horchatería de Santa Catalina“ bis zur Kirche St. Martin, die an einer Skulptur auf der Fassade zu erkennen ist. Gerade hat der hoch zu Ross sitzende Soldat Martin seinen Mantel mit einem Bettler geteilt. Fast schwarz wirken die Figuren. Umso mehr überrascht der barocke und fein vergoldete Innenraum dieser Kirche.

Auch die historischen Märkte ziehen das Publikum an. Der umgebaute Mercado Colón dient jetzt als luftiger Treffpunkt. Ganz anders und voller Leben zeigt sich der 1928 eröffnete, 8000 Quadratmeter große Mercado Central. Feines und ganz Normales kaufen die Spanier dort ein: Kartoffeln, Reis, Obst und Gemüse. Leckere Häppchen locken ebenfalls. Und nicht nur das: Wer den Markt besucht, sollte auch mal nach oben schauen, um die Konstruktion der Halle zu bewundern.

Noch mehr bewundern die Spanier und Touristen aus aller Welt die „Cuidad de las Artes y las Ciencias“ am südöstlichen Ende des Turia-Flussparks, die „Stadt der Künste und der Wissenschaft“. Dort hat Star-Architekt Santiago Calatrava mit seinen fantasievollen Bauten Einmaliges geschaffen. Am Tage und bis in die Nacht sind dort die Menschen unterwegs, flanieren in der lauen Sommerluft und fotografieren die moderne Architektur aus Glas und Beton.

45 000 Meerestiere

„L’Hemisfèric“, der erste Bau des Komplexes, war im April 1998 fertig und sofort ein Erfolg. Ausgestattet ist er mit einem 3D-Kino und einem Planetarium. Es folgte das „Museu de les Ciències Príncep Felip“, ein für Kinder geschaffenes Wissenschaftsmuseum, wo sie alles anfassen und ausprobieren sollen. Sehr beliebt ist auch das 100 000 Quadratmeter große Aquarium „L’Oceanogràfic“, in dem sich rund 45 000 Meerestiere aller Art tummeln.

Mit dem „Palau de les Arts Reina Sofía“ leistete sich Valencia auch einen 300 Millionen Euro teuren Opern- und Musikpalast. Er wurde am 25. Oktober 2006 eröffnet und zieht zunehmend auch deutsche Musikfans an. Alle diese Bauten verhalfen der Stadt zu kräftig steigenden Besucherzahlen – und genau das sollte mit den Kulturprojekten auch erreicht werden.

Sehenswertes hat allerdings auch Valencias Umgebung zu bieten. Das hübsche Städtchen Xàtiva etwa, rund 60 Kilometer südlich der Hafenmetropole, wird gerne besucht. Punkten kann es mit einer gut erhaltenen Burg. Auf den mit großen Steinen gepflasterten Wegen stapfen zahlreiche Leute bergan, um von ganz oben einen Blick auf die Stadt und ihre grüne Umgebung zu werfen.

Auch der Parque Natural de la Albufera, ein Naturpark mit dem größten See Spaniens, ist einen Besuch wert. Am Ufer des Sees bauen die Menschen seit Generationen Reis an. Gerade schleppt ein kräftiger Mann einen Korb mit Reispflänzchen auf das wässerige Feld, wo sie von weiteren Männern in den Boden gesenkt werden. Der schönste Blick über die grünen Felder bietet sich vom hoch gelegenen Muntanyeta dels Sants, einer ehemaligen Einsiedelei.

Reis für berühmte Paella

Bis heute wächst in der Albufera der Reis, der für die berühmte Valencianische Paella verwendet und auch in Cullera, einer kleinen Stadt am Mittelmeer, zubereitet wird. Dorthin fahren die Valencianer gerne mal zum Essen. Cullera hat eine große Vergangenheit, ist aber auch ein beliebter Ferienort. Das zeigen die Hotel-Hochhäuser im Stil der 1970er Jahre, die einst für die zahlreichen Gäste errichtet wurden. 

Die Altstadt blieb jedoch erhalten, und sogar die Burg wurde vor einigen Jahren komplett instandgesetzt. Sie bewahrt in ihrem Kirchlein die kleine Madonna der Burg von Cullera. Um sie dreht sich alles beim Stadtfest, das ihr zu Ehren vom Samstag nach Ostern bis zum Sonntag der folgenden Woche gefeiert wird. Bei einer Prozession wird sie von der Burg bis zum Meer hinunter getragen.

Das Hotel „Cullera Holiday“ wartet derweil mit einem Paella-Schaukochen auf. Der Chefkoch und sein Gehilfe machen sich an die Arbeit. Der bevorzugte Bomba-Reis ist schon in der großen Eisenpfanne. Auf dem Tisch warten vorgegarte rote Riesengarnelen, kleine Schnecken sowie Tomaten auf ihre Verwendung. Der Chef kostet und ist zufrieden. Das Wichtigste bei der Zubereitung ist, dass die Flüssigkeit in der Pfanne vom Reis völlig aufgesogen wird, ohne dass dieser am Pfannenboden anklebt.

Diesen Punkt genau zu erwischen, ist entscheidend beim Wettbewerb in der „Reis-Hauptstadt“ Sueca. Jedes Jahr im September veranstaltet sie im Stadtpark den „Concurs Internacional de Paella Valen­ciana de Sueca“. Köche aus aller Welt machen mit, und alle müssen mit den gleichen Zutaten arbeiten. Im vorigen Jahr erreichte erstmals ein deutsches Team einen guten dritten Platz: Chefkoch Mario Furlanello und Saucier Michael Benecken vom Bornheimer Ratskeller in Frankfurt.

Ursula Wiegand